Vom alten Kurhaus, dem Philosophenweg und dem modernen Kreuzweg der Natur

Vor mehr als hundert Jahren hat der Arzt Adolf Keller die Landschaft von Cademario auserwählt, um seine Vision einer Naturheilanstalt mit viel Sonne und Bewegung in der freien Natur zu realisieren. Dort lässt sich heute noch erholsam wandern – und bewundern, was in den letzten Jahren mit FLS-Hilfe zur Aufwertung der Kulturlandschaft unternommen worden ist. Auf den Spuren des Naturheilpioniers, in Begleitung des langjährigen Revierförsters Carlo Scheggia.

«Es muss doch gewiss in unserer Schweiz Orte geben, wo während des ganzen Jahres ein regelrechter Kurbetrieb aufrecht erhalten werden kann.» Mit diesem Anspruch begab sich der Zürcher Arzt Adolf Keller in den 1910er Jahren auf die Suche, um sein «Ideal» eines «Sanatoriums im Süden» verwirklichen zu können. Die Naturheilanstalt Fellenberg, die er in Erlenbach leitete, musste in der kälteren Jahreshälfte jeweils schliessen. In der «schweizerischen Sonnenstube» hoffte Keller, einen Ort für ganzjährigen Kurbetrieb basierend auf gesunder Ernährung und viel Bewegung im Freien zu finden. Dabei habe er, wie er später in einem Rückblick schrieb, «manch hübsches Plätzchen» während Ferien «genau visitiert», doch «die ‘Wenn’ und ‘Aber’ vernichteten manches Luftschloss».

 

Das Kurhaus, am Ende der Welt gebaut             

Nach diversen Fehlschlägen mit Terrainkäufen in Locarno, am legendären Monte Verità von Ascona und in der Region Lugano wurde Adolf Keller fündig: «Dort oben», erklärte ihm ein Begleiter auf einer Wanderung über die Collina d’Oro, «dort oben haben sie die erste und letzte Sonne der ganzen Umgebung.» Für den jungen Arzt, der dem Sonnenlicht in seiner Dissertation «hohen Stellenwert für die Gesundheit» zugesprochen und sich in Deutschland bei einem Naturheilkunde-Pionier weitergebildet hatte, war das ein verlockender Hinweis. Schon am nächsten Tag pilgerte er hinauf –  nach Cademario. Und wie er dort «die herrliche Aussicht und die prachtvolle Gegend betrachtete, konnte ich nicht genug staunen (...) und ich sagte mir im Stillen: «Das ist der rechte Ort.»

42'000 Quadratmeter Buschwald, für die Startphase von 26 Besitzern mühsam zusammengekauft, etwas abseits oberhalb des 350-Seelen-Dorfes gelegen, zunächst ohne Zufahrtsstrasse und später vom nächsten Bahnhof aus erst nach fast zweistündiger Postkutschenfahrt auf steiler Bergstrasse erreichbar – das sollte «der rechte Ort» für eine «Naturheilanstalt» sein? «Keller baute sein Kurhaus damals buchstäblich am Ende der Welt», heisst es in der Dissertation, die Martin Aegerter 1997 über den «Pionier ‘naturgemässer Lebens- und Heilweise’» geschrieben hat. Selber ein ausgeprägter Bewegungsmensch, hielt Adolf Keller seine Kurgäste zu regelmässiger Bewegung im Freien, zu Bergtouren und Wanderungen an – und zwar nicht allein aus gesundheitlichen Gründen: «Wer zu Fuss geht, sieht mehr – von der Landschaft und der Flora.»

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