Eine grüne Vision könnte Realität werden

Das Grüne Gallustal ist eine Vision, die verbildlicht wie sich St. Gallen entwickeln könnte, um den Herausforderungen im Umgang mit dem Klimawandel, dem Erhalt der Biodiversität und der Forderung nach urbanen Freiräumen zu begegnen. Es zeigt, dass wir uns Stadtraum auch radikal anders vorstellen können, wenn wir nur den Mut dazu haben. Es soll inspirieren und anregen, aber auch Hand bieten für die konkrete Umsetzung von Teilprojekten.

Vor dem Karlstor in St. Gallen liegen schöne Gärten mit vielen Bäumen. Die Steinach fliesst gemächlich vorbei und lädt zum Fussbad ein. Am anderen Ufer flanieren Menschen dem Bach entlang und geniessen im Schatten von Bäumen die städtische Oase. Wenn es nach dem Konzept Grünes Gallustal (GGT) geht, könnte dies bald Realität werden. Bis jetzt ist die Steinach jedoch eingedolt und fliesst unterhalb der Strasse. Parkierende Autos prägen den Raum und Bäume hat es nur vereinzelt.

Das GGT ist ein Konzept, das aufzeigt, wie eine grünere, biodiversere und landschaftlich attraktivere Stadt St. Gallen 2030 aussehen könnte. Initiiert vom WWF St. Gallen, wurde das Projekt von einer breiten Trägerschaft vom Architekturbüro Geiser Streule Inhelder, Verbänden und verschiedensten Expertinnen und Experten ausgearbeitet. Es enthält 14 Massnahmen und deren quartierspezifische Umsetzung. Insgesamt 65 Visualisierungen machen die Veränderungsvorschläge vorstellbar. «Besonders eindrücklich ist die Bildhaftigkeit des Konzeptes», sagt Co-Projektleiter Lukas Indermaur. Beispielsweise sollen die Strassenräume grüner umgebaut und die bestehenden Grünflächen aufgewertet, Einschnitte ins Stadtbild durch Autobahn und Zuglinien sollen teilweise überdacht und begrünt und die Vernetzung für den Fuss-, Velo- und den öffentlichen Nahverkehr verbessert werden.

Im Zuge des Klimawandels leiden Städte zunehmend unter Hitze und Starkregen. Dabei hat der hohe Anteil an versiegelter Fläche einen massgeblichen Einfluss. Als Abhilfe schlägt das GGT die Schaffung von vernetzten Grünflächen vor. Diese steigern gleichzeitig auch die Biodiversität und die Aufenthaltsqualität für den Menschen.

Das GGT zeigt auf, dass eine grüne, baumreiche und lebenswerte Stadt St. Gallen nicht nur eine abstrakte Vision ist, sondern dass dies auch tatsächlich umsetzbar wäre. Durch die parzellenscharfe Ausarbeitung ist das Konzept direkt für die St. Galler Behörden anwendbar. Diese arbeiten etwa bereits mit dem georeferenzierten «Grünplan Zukunft», der im Rahmen des Projektes erarbeitet wurde. Zudem quantifiziert das Projekt den Impact, den solche Massnahmen haben können: mit der Umsetzung würde die CO2-Bindung im Stadtgebiet mehr als verdoppelt und die Versiegelung würde von 53 auf 33 Prozent reduziert.

Das Projekt wurde zwar für St. Gallen ausgearbeitet, aber viele Massnahmen könnten in ähnlicher Form auch in anderen Schweizer Städten umgesetzt werden. Dank dem FLS-Beitrag von 30'000 Franken konnte der Studienfilm übersetzt werden und das Projekt über St. Gallen hinaus in verschiedenen Städten bekannt gemacht werden. «Damit ist die Vision nun auch in der französischen und italienischen Schweiz zugänglich», erklärt Lukas Indermaur. Das Konzept solle über St. Gallen hinaus inspirieren. Während im vergangenen Jahr breit informiert werden konnte, steht nun die Konkretisierung und die Implementierung der Daten an.

In St. Gallen hat das Projekt auf jeden Fall schon etwas bewirkt: die Massnahmen wurden in der Politik und von der Bevölkerung breit diskutiert. Der Stadtrat hat im Rahmen eines Vorstosses Stellung zum Projekt bezogen. Grundsätzlich steht er dem Konzept positiv gegenüber. Einige der Massnahmen können mit bestehenden Mitteln umgesetzt werden. Für andere brauche es zuerst einen politischen Richtungsentscheid. Eine Idee scheint es ihm jedoch angetan zu haben. So will der Stadtrat den vorgeschlagenen Park auf dem bestehenden Autobahndeckel beim Stephanshorn im Osten der Stadt umsetzen. Es sollen einerseits ein neuer Fussweg und Sitzgelegenheiten entstehen. Andererseits sind Bäume, ökologische Aufwertungen, Beerensträucher und weitere essbare Pflanzen geplant. Zudem hat das Konzept breites privates Engagement ausgelöst, beispielsweise durch die Umgestaltung von Privatgärten.

 

gruenesgallustal.ch

Bilder: GSI Architekten AG

15.06.2023